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Landesaktionsplan Gute Geburt: Eine gesunde und gute Geburt für Mütter und Kinder sicherstellen

Im Niedersächsischen Landtag wurde in der letzten Sitzung am 26. Juni 2025 ein Entschließungsantrag zum Thema Gesunde Geburt von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht. Darin wird die Landesregierung gebeten, in Anlehnung an das nationale Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt" einen "Landesaktionsplan Gute Geburt" aufzulegen, um die schwangerschafts- und geburtshilfliche Versorgung in Niedersachsen sicherzustellen und den Hebammenberuf zu stärken.

Der Antrag, der zunächst im Plenum eingebracht wurde und nun in den Sozialausschuss zur weiteren Beratung geht, umfasst folgende Punkte:

Die Landesregierung wird gebeten, in Anlehnung an das nationale Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt" einen "Landesaktionsplan Gute Geburt" aufzulegen, um die schwangerschafts- und geburtshilfliche Versorgung in Niedersachsen sicherzustellen und den Hebammenberuf zu stärken. Bei dem Prozess sind insbesondere die maßgeblichen Berufsfelder im Gesundheitswesen in Runde Tische o. ä. Partizipationsformate einzubeziehen. Darüber hinaus wird die Landesregierung gebeten, zukünftig eine beständige Umsetzung der Maßnahmen, die Fortschreibung des Plans und die dafür notwendige Einrichtung einer Vernetzungsstelle sicherzustellen. Bei der Erstellung des Landesaktionsplans sollen Maßnahmen für eine sichere und gute Geburt insbesondere aus folgenden Zielen abgeleitet werden:

  1. Die Frau mit ihrem Kind steht im Mittelpunkt. Ihre Perspektive, ihre Selbstbestimmung und das Wohlbefinden von ihr und ihrem Kind sind die wichtigsten Qualitätskriterien und grundlegend für Entscheidungen, Maßnahmen, Regelungen und Gesetze.
  2. Jede Frau hat rund um die Uhr Anspruch auf eine wohnortnahe (d. h. max. 40-minütige Fahrtzeit) Versorgung in einem Kreißsaal.
  3. Jede Frau hat Anspruch auf eine hebammenbegleitete Betreuung, mit der die regulären Vorgänge bei der Geburt und im Wochenbett gefördert und optimiert werden.
  4. Jede Frau hat unter der Geburt Anspruch auf eine optimale Betreuung durch eine anwesende Hebamme. Dabei wird den Frauen die Zeit gegeben, die sie brauchen, um ihre Kinder zu gebären.
  5. Jede Frau hat, wann immer es ihre und die Gesundheit ihres Kindes verantworten lassen, Anspruch auf eine interventionsarme (-freie) physiologische, würdevolle, wertschätzende Geburt.
  6. Jede Frau hat Anspruch auf umfassende Informationen über geplante Eingriffe, Untersuchungen, Möglichkeiten zur Schmerzreduktion und mögliche Komplikationen. Zentral ist dabei die Zustimmung der Gebärenden hierzu im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung.
  7. Die Senkung der Kaiserschnittrate in Niedersachsen ist erklärtes Ziel.
  8. Eine vollumfängliche, aufwandsgerechte Vergütung der Geburtshilfe muss gewährleistet sein, damit physiologische Geburten „sich rechnen“.
  9. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsfelder rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft wird verbessert.
  10. Weitere Ziele können im Rahmen des Prozesses ergänzt werden. 

Folgende Themenfelder sollen besonders berücksichtigt werden:

1. Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe sicherstellen, stärken und verbessern

a) Betreuungs-, Hilfs- und Versorgungsangebote jeder Art müssen bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett (ambulant und stationär) flächendeckend, wohnortnah und barrierearm für alle Frauen und Familien zugänglich sein. Das Land setzt sich für ein Sicherstellungskonzept für die geburtshilfliche Versorgung ein.
b) Auf kommunaler Ebene sollen regionale interdisziplinäre Versorgungsnetze unterstützt werden, die eine verlässliche und qualitativ hochwertige Versorgung garantieren.
c) In den Regionen müssen verlässliche, bedarfsgerechte Notfall- und Verlegungskonzepte zur Versorgung aller Fälle unter Einbindung der Hebammenhilfe entwickelt werden. (s. a. Konzept des Main-Kinzig-Kreises, Hessen).
d) Telemedizinische Angebote in der Geburtshilfe für Fachmedizinerinnen und Fachmediziner sowie Hebammen müssen geprüft und die Umsetzung initiiert werden.

2. Die Arbeit von Hebammen sicherstellen, stärken und verbessern

a) Die Hebammenversorgung muss für Frauen, die diese in Anspruch nehmen wollen, über den gesamten Betreuungsbogen flächendeckend möglich sein. Insbesondere für die klinische Geburtshilfe wird für eine ausreichende personelle Ausstattung gesorgt.
b) Die Umsetzung von flächendeckenden, hebammengeleiteten, ambulanten und außerklinischen geburtshilflichen Konzepten wie dem hebammengeleiteten Kreißsaal wird unterstützt.
c) Förderung der Einführung und Zertifizierungen der Hebammenkreißsäle durch die dafür bereitgestellten Mittel durch das KHVVG gemäß der kommenden Richtlinie des G-BA.
d) Teilhabe und Mitwirkung von Hebammen in professionsrelevanten gesundheitspolitischen Entscheidungsgremien auf Landesebene ermöglichen.
e) Einführung eines angemessenen Personalbemessungsinstruments für Hebammen auf Bundesebene zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung.
f) Best-Practice-Beispiele identifizieren, die die Attraktivität der Arbeit im Kreißsaal erhöhen (z. B. Wiedereingliederungsmodell, Hebammenkreißsaal, Beleghebammenmodell), und diese zur Gewinnung von Hebammen in der klinischen Geburtshilfe nutzen.
g) Prüfen, inwieweit ein Gründungszuschuss für Hebammen, wie er in anderen Bundesländern schon angewandt wird, eingeführt werden kann.
h) Ausweitung der Praxisorte für die Ausbildung der Hebammen in Kliniken.


3. Qualitätssicherung in der Geburtshilfe verbessern

a) Bestehende Qualitätskriterien in der Geburtshilfe flächendeckend umsetzen und verbandspolitisches Engagement für die Weiterentwicklung dieser unterstützen.
b) Berücksichtigung der Personalausstattung, der räumlichen Ausstattung und der Zufriedenheit der Gebärenden mit dem geburtshilflichen Angebot und ihrer Erfahrungen und Bewertungen des Geburtsvorgangs.
c) Eine interventionsarme (-freie), physiologische, würdevolle und wertschätzende Geburt fördern und anstreben.
d) Perinataldatenerhebung erweitern und diese zur Verbesserung der Versorgungsqualität nutzen (aufbauend auf dem zz. laufenden Pilotprojekt zur Datenerhebung aus Sicht der Eltern bezüglich der Erlebnisse/Erfahrungen unter der Geburt, Hochschule Osnabrück, Prof.in Dr. Claudia Hellmers)

4. Psychische Gesundheit stärken, traumatische Erfahrungen mit gesundheitlichen, physischen und psychischen Konsequenzen unter der Geburt verhindern

a) Gewalterfahrungen unter der Geburt als strukturelles Thema in der Frauengesundheit anerkennen, definieren und Maßnahmen zur Abhilfe entwickeln.
b) Prüfen, inwieweit mehr Unterstützung für Mütter vor, während und nach der Geburt durch Beratungsangebote und psychologische Betreuung ermöglicht werden kann. Förderung von Forschung und Entwicklung zu den physischen und psychischen Auswirkungen medizinisch nicht notwendiger Interventionen.
c) Darauf hinwirken, dass alle beteiligten Berufsgruppen bereits in der Ausbildung auf interprofessionelles Handeln und den Bedarf von Frauen und Familien im Rahmen der geburtshilflichen Versorgung mit der nötigen Sensibilisierung vorbereitet werden.
d) Prüfung einer Förderung von Fortbildungen von Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzten in der traumasensiblen Begleitung von Frauen und Familien.
e) Die Einführung verbindlicher Nachgespräche mit Müttern nach der Geburt prüfen und sich für die Vergütung dieser einzusetzen.

Zudem bittet der Landtag die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass

    die neuesten Einigungen mit dem GKV zu den Regelungen der Vergütung von Hebammen (Hebammenhilfevertrag) überarbeitet werden mit dem Ziel, dass Beleghebammen - die den Betrieb vieler klinischer Geburtshilfen sicherstellen - angemessen vergütet werden und sich nicht schlechter stehen als andere freiberufliche Hebammen,
    die Arbeitsbedingungen für freiberuflich tätige Hebammen sich verbessern und hierbei insbesondere eine Lösung der Haftpflichtproblematik für freiberufliche Hebammen herbeigeführt wird,
    Lösungen zur Refinanzierung der Geburtshilfe inkl. Vorhaltekosten weiterentwickelt werden, sodass Schließungen von Geburtshilfe aus wirtschaftlichen Gründen verhindert werden,
    die Beseitigung von Fehlanreizen weiter vorangetrieben wird, um Interventionen unter der Geburt zu reduzieren,
    die durch Leitlinien der Fachgesellschaften erstellten Behandlungsstandards flächendeckend unter Beachtung der Level-Zuordnung umgesetzt werden, um allen Schwangeren eine adäquate Betreuung zu ermöglichen (z. B. spontane Beckenendlagengeburten, spontane Zwillingsgeburten).


Den kompletten Antrag (Drucksache 19/7478) mit Begründung finden Sie auf der Website des Landtages